Ursprung und Geschichte
Funakoshi Gichin
Okinawa ist die größte von 150 Inseln im Ost-Chinesischen Meer zwischen Taiwan und Japans Festland. Auf dieser Insel entwickelten bereits vor Jahrhunderten, die dort lebenden Bauern und Fischer, Kampftechniken. Eine davon war die Kampfkunst Te, die auch von bestehenden chinesischen Kampfkünsten inspiriert wurde. Da im zweiten Weltkrieg das königliche Archiv auf Okinawa zerstört wurde, gibt es nur sehr wenige Dokumente über die okinawaische Kampfkunst.
Karate entwickelte sich aus dieser Kampfkunst. Es war die Kampfkunst weniger Eingeweihter, sie wurde zunächst nur im Freundeskreis und in der Familie weitergegeben. Als der Gebrauch von Waffen 1477 zum ersten Mal auf Okinawa verboten wurde, erlebte die waffenlose Selbstverteidigung einen großen Aufschwung. Sie war für die Bevölkerung Okinawas die einzige Möglichkeit sich gegen Piraten und plündernde Besatzer zur Wehr zu setzen. Da diese waffenlose Selbstverteidigung aber so Effizient war, wurde auch sie von den Japanern bald verboten. Öffentliches Te-Training bzw. die Zurschaustellung des Te, konnte die Todesstrafe nach sich ziehen, von der im schlimmsten Fall die ganze Familie betroffen war. Die Meister konnten ihr Wissen nun also nur im Verborgenen weitergeben. Manche gaben die Techniken als verschlüsselte Bewegungsabläufe weiter, die als Kata bezeichnet wurden. Die Verschwiegenheit der Schüler wurde mit einem Blutschwur sichergestellt. Das ständige Üben bis zur Perfektion war damals äußerst wichtig und entschied im Ernstfall über Leben und Tod. Die Technik musste mit absoluter Konzentration ausgeführt werden und den Angreifer mit dem ersten Schlag außer Gefecht setzen, denn man hatte es oft mit schwer bewaffneten Samurai zu tun. Das Okinawa-Te war komplett auf den Guerillakampf ausgerichtet und war eines der potentiell gefährlichsten Nahkampfsysteme überhaupt.
Das Ende der Satsuma-Herrschaft und die Reformen der japanischen Regierung bewirkten dann aber auch auf Okinawa ab 1875 eine Liberalisierung und die Kampfkunst Te durfte wieder offiziell praktiziert werden. 1902 wurde die Kampfkunst zum Schulsport auf Okinawa. Bei vielen alten Meistern löste dies eine Welle der Entrüstung aus. Sie wollten das eherne Gesetz der Geheimhaltung nicht brechen. Die Kampfkunst Te war für sie patriotisches Geheimgut.
Gichin Funakoshi (1868-1957) gilt als Vater des modernen Karate und des Shotokanstils im Speziellen. Im Gegensatz zu den alten Meistern hatte Funakoshi das Bestreben die Kampfkunst Karate einer breiten Öffentlichkeit vorzuführen und Karate zu systematisieren und neu zu strukturieren. Er integrierte auch zunehmend philosophische Prinzipien und sah Karate als Schule zur Vervollkommnung des Charakters. Er verband die Grundsätze des Zen mit der Kunst des Kämpfens.
Der Begriff „Karate“ wurde schon lange synonym zu „Te“ verwendet. Aber erst 1936 wurde die neue Leseart von einer Kommission führender Te-Meister ratifiziert. Damit war die Bedeutung Karate = leere Hand fortan geläufig für das neu systematisierte Karate.
Funakoshi ging als Lehrer von Okinawa nach Japan und machte dort die Kampfkunst der Bauern und Fischer Okinawas zu einer japanischen Budodisziplin, die dort zunächst hauptsächlich von der Oberschicht, den Intellektuellen und dem Militär praktiziert wurde. 1939 wurde dann Funakoshis erstes selbständiges Karate Dojo eingeweiht. Das Training unter Funakoshi war hart und intensiv. Jede Technik wurde mit voller Konsequenz und mit Wiederholungen bis zur totalen Erschöpfung trainiert.
Der Zweite Weltkrieg und die amerikanische Besetzung Japans hemmten zunächst die Weiterentwicklung des Shotokan-Karate. Nach dem Ende des Krieges wurden alle Budodisziplinen von den Amerikanern verboten. Funakoshi gelang es aber, dass Karate als Leibeserziehung eingestuft wurde und nicht als kriegerische Kampfkunst. Mit seinen besten Schülern führte er Karate den amerikanischen Soldaten vor, sodass Karate auch bei ihnen populär wurde. Die zurückkehrenden Soldaten gründeten Dojos und holten japanische Instruktoren in die USA.
Masatoshi Nakayama
Unter Funakoshis Obhut gab es zwischen 1957 und 1970 ein strenges Ausbildungsprogramm für Instruktoren. Die bestausgebildetsten Karatelehrer wurden in die ganze Welt ausgesandt und verbreiteten Shotokan Karate international.
Zu diesen Lehrern gehörte auch Masatoshi Nakayama (1913-1987). Er war als langjähriger chief-instructor der Japan Karate Association (JKA) maßgeblich für die Verbreitung des Shotokan-Stils in der Welt verantwortlich. Seine Bedeutung spiegelt sich auch in der Shotokan Prüfungsordnung des Deutschen Karate-Verband (DKV) wieder:
Die Ausführung der Techniken richtet sich grundsätzlich nach dem Buch “KARATE‑DO” von M. Nakayama.